Manoli ist und war ein lernbegeisterter Hund, der schnell Vertrauen zu seinen Menschen gefasst hat und begreift, dass genau diese Menschen für ihn gut den Alltag regeln. Der Rüde entwickelte sich innerhalb weniger Monate so gut, dass Karin und Alex verständlicherweise überrascht waren, als Manolis Scheu Fremden gegenüber plötzlich offensiveren Verhaltensweisen wich.
Karin rief mich Anfang 2012 an und berichtete, dass Manoli nach Besuchern schnappte, sie in der Wohnung verfolgte und ihnen den Weg abschnitt. Ich fuhr also erneut zu Alex und Karin. Tatsächlich trat mir ein anderer Manoli entgegen, als vor knapp einem Jahr. Viele Hunde verändern ihr Verhalten nach einer gewissen Eingewöhnungszeit. Der schwarze, vierbeinige Grieche hatte ordentlich Selbstvertrauen getankt, von seiner anfänglichen Unsicherheit sah ich nichts mehr.
Wer Manoli nicht kannte, war bestimmt beeindruckt von seiner dunklen Gestalt und seinen wachsamen Augen, wenn man die Wohnung betrat. Wer Manoli jedoch kennt, weiß, dass hinter dieser Fassade nichts weiter wohnt als ein nettes Wesen, dass ganz gerne mal in die Rolle eines Proleten schlüpft, nur um sich wichtig zu machen. Bestimmt hatte der Rüde in den letzten Wochen und Monaten Erfolg damit gehabt, Menschen mit seiner bloßen Anwesenheit und seinem tiefen Blick, gepaart mit Verfolgen in den eigenen vier Wänden, zu beeindrucken.
Weil Karin und Alex den Kontakt zu Fremden gefördert hatten, gestatteten sie Manoli auch, die Besucher auf Schritt und Tritt zu begleiten. Die Halter dachten anfangs, der Rüde würde anhängliches, freundschaftliches Verhalten zeigen. Was Manoli aber tatsächlich tat und signalisiert bekam, war etwas ganz anderes. Hier gab es ein Missverständnis zwischen Mensch und Hund. Manoli dachte, er solle diese Aufgabe (Besucher kontrollieren) übernehmen, was er schließlich auch mehr und mehr tat.
Weil Karin und Alex sein Kontrollverhalten förderten und keine Alternativen aufzeigten, wurde er immer sicherer und deutlicher in seinem Verhalten. Erst, als er einen Bekannten geschnappt hatte, als dieser sich in der Wohnung bewegte, wurde klar, dass das Hinterherlaufen nicht nur freundlich gemeint war. In der Natur vieler Hunde liegt es, oft rassebedingt, Fremden gegenüber eher misstrauisch zu sein. Das ist völlig in Ordnung und natürlich. Der Mensch muss das wissen und respektieren und in den für den Hund wichtigen entsprechenden Situationen sinnvoll damit umgehen. Wer den eigenen Hund tatsächlich als Wachhund einsetzt, der Haus und Hof verteidigen soll, kann das wachsame Verhalten gezielt verstärken und fördern. Wer aber möchte, dass der eigene Hund sich nicht zur einsatzbereiten Alarmanlage entwickelt, muss dem Hund signalisieren, dass Fremde im eigenen Haus durchaus willkommen sind, wenn sie von den eigenen Menschen an der Türe begrüßt und hereingebeten werden.
Nochmal: Es ist okay, wenn der eigene Hund keine Lust auf Besucher hat, eine genetischer Veranlagung oder tief sitzende Erfahrungen lassen sich nicht so einfach wegtrainieren. Es ist aber nicht okay, dem Hund keine Alternativen bzw. erwünschte Verhaltensweisen aufzuzeigen, wenn er Besucher verbellt oder nach ihnen schnappt. Der Hund hat immer einen Grund, bestimmte Dinge im Alltag zu tun. Die meisten Hunde, die ich kennen gelernt habe, trauen ihren Menschen einfach nicht zu, dass sie (Besuchs-)Situationen im Griff haben. Also zeigen sie selbst Einsatz. Für diesen Einsatz werden sie dann meistens bestraft – der Hund zieht sich zwar (eventuell) zurück, sieht aber nicht, dass der Mensch die Aufgabe übernimmt, den Besuch zu managen. Ein Teufelskreis: Der Hund hat eine Sicherheitslücke im Familienverband identifiziert, von den Menschen schließt aber niemand diese Lücke. Er tut es also selbst. Dafür wird er von der Familie bestraft, die er eigentlich schützen will.
Man stelle sich einen Chihuahua vor, der eine solche Aufgabe übernimmt – eine Sisyphus-Arbeit. Bei Karin und Alex bahnten sich die ersten Anzeichen dafür an, dass Manoli meinte, Besuchssituationen regeln zu müssen. Er folgte mir tatsächlich, stellte sich zwischen mich und Karin, wenn wir redeten, stupste mich leicht mit der Schnauze am Knie, wenn ich mich bewegte. Alles Zeichen dafür, dass er mich in meiner Bewegungsfreiheit einschränken wollte. „Hey, ich wohne hier, ich entscheide, wohin du gehen darfst!“ bedeutete er mir. Dabei war er aber nicht ernst, in keiner Sekunde. Der Rüde hatte überhaupt keine eigene Motivation, mich zu kontrollieren. Er sah immer wieder zu Karin und Alex, wenn ich durch die Wohnung lief. Weil die beiden nichts unternahmen und er keine Signale von ihnen bekam, stiefelte er mir nach und überprüfte, was ich tat. Sobald ich stand, stand er neben oder vor mir. Er begann zu hecheln und sich zu schütteln. Ein Zeichen von Stress. „Macht euch keine Sorgen, Manoli wird dieses Verhalten sehr schnell bleiben lassen, wenn ihr ihm deutlich macht, dass ihr eure Besucher im Griff habt“, sagte ich.
Karins und Alex Aufgabe war theoretisch ganz einfach: Sie sollten jedes Mal, wenn Besucher klopften oder klingelten, Manoli auf seinen Liegeplatz schicken. Er durfte nicht mit an die Türe kommen, denn Manoli ist der Typ Hund, der sich quasi „von hinten als Verstärkung“ fühlt. Er sollte sich aber überhaupt nicht involviert fühlen und lernen, dass Besucher nicht seine Aufgabe waren, sondern Alex und Karins. Um ihm den Liegeplatz schmackhaft zu machen, sollten seine Menschen ihn auch tagsüber immer mal wieder dorthin schicken und ihm tolle Belohnungen und Streicheleinheiten bieten. Er sollte diesen Platz lieben. Er sollte den Platz nicht als Strafbank empfinden, sobald Besucher kämen. Karin und Alex bekamen außerdem die Aufgabe, ihn erst dann wieder aufstehen zu lassen, wenn er sich entspannt hatte. Erst dann durfte er auch mal zu den Besuchern und eine Nase von ihnen nehmen, schließlich wollten wir weiterhin, dass er fremde Menschen nicht als bedrohlich empfand. Ihnen hinterherzulaufen untersagten Alex und Karin – das taten sie anfangs einfach selbst.
Auch hier zeigte sich Manoli von seiner besten Seite: Nach wenigen Wochen war das Thema für ihn erledigt, er bleibt jetzt brav auf seinem Platz und kümmert sich nicht weiter um die Menschen, die zu Besuch kommen.
Weil der schlaue Grieche sich aber weiterentwickelte, folgte bald die nächste Trainingsepisode: Diesmal verbellte und verjagte Manoli andere Rüden. Dazu mehr im nächsten Teil.
Siehe auch: Teil II und Teil I;
Sabrina Krebs, studierte in Göttingen Sozialwissenschaften – Schwerpunkt Sozialpsychologie. Nach ihrem Examen, Aufenthalt in Australien und Arbeit mit Farmhunden, Ausbildung zum Trainer bei Martin Rütter.