Die Ursachen für den Rechtsruck und Rechtspopulismus in Deutschland werden derzeit bei Fake-News und Social Robots, in den sozialen Netzwerken gesucht.
Fake-News, also absichtlich lancierte Falschmeldungen in den sozialen Netzwerken, haben das Ziel die Bevölkerung zu manipulieren. Ähnliche Methoden wandten auch die Nazis an. Im Gegensatz zum journalistischen Ehrenkodex in Deutschland, der zur Wahrheit und dazu verpflichtet, falsche oder irreführende Meldungen zu vermeiden. Fake-News sind also ein Symptom dafür, die Demokratie in einem Land zu destabilisieren.
Fake-News sind aber auch ein Symptom für eine über Jahrzehnte stattgefundene, gezielte “Infiltration” der Bevölkerung, die außerhalb der sozialen Netzwerke – über Newsletter, per e-mail und Vorträgen – stattfand. Wie meine Recherche über fast drei Jahre ergab.
Die Publikationen von Thilo Sarrazin machten Rechtspopulismus wieder salonfähig.
Ich recherchierte vor allem in den Gegenden in denen die Nazis mit der dunklen Vergangenheit dieses Landes begannen, sehr aktiv waren, sich Nazi-Zentralen, SS-Ausbildungslager und Munitionsanstalten befanden, in denen Zwangsarbeiter sowie KZ-Häftlinge arbeiten mussten, und dort wo Kinder für das NS-System indoktriniert wurden oder über Jahrzehnte Nazi-Größen wie Mengele, nach seiner Flucht ins Ausland unterstützt wurde. Vor allem um festzustellen ob sich die Bevölkerung, als Mitwisser und Mittäter, geändert hat oder ob das braune Gedankengut von Generation zu Generation weiter gegeben wurde, erhalten blieb und nun erneut und organisiert an die Oberfläche kommt. Hier einige Auszüge meiner Rechercheergebnisse für mein Buch:
Genau in diesen Gegenden fand ich die höchste Konzentration von Nationalisten, Rechtspopulisten, AfD-Anhängern, “Reichsbürgern” und eine fremden- und ausländerfeindliche, rassistische und antisemitische Bevölkerung. Eine frustrierte, von Intoleranz, Hass und Misstrauen erfüllte Bevölkerung, die gegen alles ist das anders ist, die Globalisierung und die derzeitige Regierung ablehnt. In Bayern, Sachsen und Österreich, auf dem Land und in Kleinstädten.
Diese Gesinnung war bei allen Gesellschaftsschichten vorzufinden: Landwirte, Jäger, Polizisten, Militärangehörige, sogenannte “besorgte” Bürger, Arbeitslose, Esoteriker, Natur- und Umweltschützer, ehemalige CSU-Mitglieder/Wähler, Rentner, bis hin zur wohlhabenden Mittelschicht.
Nicht nur im Bayerischen Schwaben, im Landkreis Günzburg, sind bis heute nicht nur Vorurteile, Diskriminierung, Denunziation, Falschanschuldigung und Vorverurteilung selbstverständlicher “Volkssport”. Der von den Bürgermeistern und Behörden gefördert und belohnt wird. Probleme selbst zu lösen, hat diese Bevölkerung auch dort bis heute nicht gelernt.
Geförderte Denunziation und Diffamierung war bei den Nazis ein Instrument zur Herrschaftssicherung und ist bis heute übliche Praxis.
Minderheiten haben es in dieser strukturschwachen Gegend, in der sich die Bevölkerung gegenseitig konstant überwacht und denunziert, schwer.
Diese Region ist bis heute von Feindseligkeit, Missgunst, Korruption, Neid, Vorurteilen, Intrigen, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und jedem gegenüber geprägt – der “anders” ist. Wozu auch Amerikaner, Hunde, Juden, Homosexuelle, Ausländer, Flüchtlinge, Asylbewerber und unverheiratete, allein erziehende und geschiedene Frauen gehören.
Trotz geringer Einwohnerzahl und genügend Platz für alle, ist ein friedliches Miteinander nicht möglich. Die Dörfer gleichen Geisterstädten. An den Häusern der menschenleeren Strassen bewegen sich Vorhänge. Nicht Hilfsbereitschaft, sondern der eigene Vorteil zählt. Der Nachbar wird missgünstig überwacht und der Rasen im menschenleere Garten – mit der “Nagelschere” geschnitten. Wer im Garten in der Sonne sitzt, gilt als faul und arbeitsscheu.
Juden und Flüchtlinge galten während und nach dem Krieg als Bedrohung. Heute sind es Flüchtlinge und Asylbewerber. Vorurteile, Vorverurteilung und Verschwörungstheorien, an der Tagesordnung.
Während des Kriegs bereicherte man sich an der Not der Juden, die aus dem Land fliehen mussten oder abgeholt wurden. Grundstücke und Häuser wurden für wenig Geld übernommen oder gingen in das Eigentum der Bevölkerung über, nachdem jüdische Familien in den Konzentrationslagern umgebracht wurden und sich nach dem Krieg niemand mehr meldete.
Die politische Gesinnung ist Nationalistisch, Dunkelschwarz bis Dunkelbraun. Selbstjustiz oder Mord aus niederen Motiven in der eigenen Familie aus Geldgier, ist bis heute in dieser Region nichts besonderes.
Auf Fragen nach Josef Mengele, dem Schlächter von Auschwitz und seinen Gräueltaten, reagiert die Bevölkerung mit Schweigen und Aggression. Wie auch auf Fragen nach der Unterstützung von Mengele aus Deutschland, der über dreißig Jahre von Günzburg aus in Argentinien und Brasilien – wohin er geflohen war – finanziert wurde.
Nach oben wird gebuckelt – nach unten getreten. Der eigene Vorteil zählt. Wohlhabende “kaufen” sich ein. Aus ausgewiesenem Ackerland wird dann schnell, für einen Manager eines Milchkonzerns der ein Grundstück kaufen möchte, Bauland. Oder es verschwinden im 70 km entfernten Oberallgäu 1,8 kg Kokain aus den Asservatenkammern und werden beim Chef der Drogenfahndung gefunden.
Vielfalt gibt es nur noch in der Natur. Biobauern werden bekämpft. Kühe stehen im Stall. Umweltdelikte unter den Teppich gekehrt. Sikkation mit Glyphosat ist an der Tagesordnung. Äcker auf denen innerhalb einer Woche Gülle, Kunstdünger und Klärschlamm landen – keine Seltenheit.
Nicht nur die Landmaschinen der Bauern von Mengele, stehen bis heute in dieser Region als stille Zeitzeugen herum.
In all diesen Regionen, wo Nazis aktiv waren, fand ich Ähnliches vor. Man möchte nicht an die Vergangenheit erinnert werden, kritische Fragen sind unerwünscht, die Untaten der Nazis werden verharmlost, der Holocaust geleugnet. Die politische Gesinnung: Nationalistisch, Dunkelschwarz bis Dunkelbraun, Protektionismus, Populismus für gut empfunden. Selbst Flüchtlinge die nach dem Krieg kamen, sind bis heute unerwünscht und werden ausgegrenzt.
Hinter der sauberen Fassade und der idyllischen Landschaft, die einer kitschigen Ansichtskarte gleicht, verbergen sich die gleichen Abgründe, die gleichen Vorurteile, das gleiche Unrechtsbewusstsein, die gleiche Unfähigkeit zu reflektieren, das gleiche Denunziationsverhalten, der gleiche Neid und die gleichen kriminellen Machenschaften – die ich auch in den anderen Regionen vorfand.
Entweder man hört, “die Merkel muss weg”, oder es wird CSU oder die AfD gewählt. Ganz Frustrierte und Politikverdrossene gehen nicht mehr zu Wahl. “Die sind doch alle gleich, es wird sich ohnehin nichts ändern,” hörte ich immer wieder, mehrheitlich von Leuten, die viel arbeiten, wenig verdienen und auch keine Zeit für soziale Netzwerke haben.
Im Herbst 2016 erfuhr die Bevölkerung durch die Medien erstmals von den “Reichsbürgern”, als ein Jäger und “Reichsbürger” der im Besitz von 30 Schusswaffen war, in Franken auf die Polizei schoss, nachdem diese seine Waffen beschlagnahmen wollten. Wie sich herausstellte gehörten auch Polizisten zu “Reichsbürgern”. Einzelfall? Nein! Auch Waffenbesitz ist in Deutschland kein Problem, wenn man einem Schützenverein oder Jagdverband angehört.
Die Mehrheit der “Reichsbürger” sind Sympathisanten der AfD, FPÖ, Pegida und Rechtsextremisten und auch auf Pegida-Versammlungen und allen Demonstrationen anzutreffen, die sich gegen die Regierung und die Demokratie richten. Von der Existenz der “Reichsbürger” und anderer rechtsextremen Gruppierungen hat der BND, wie auch die Landesregierungen, in Bayern, CSU, und das Innenministerium, seit Jahren Kenntnis.
“Reichsbürger” erkennen die Bundesrepublik, sowie die Demokratie nicht an und verleugnen den Hollocaust. Wie die NPD, fordern die “Reichsbürger” die Ablösung des Grundgesetz, nachdem dieses nach den Vorgaben der westlichen Siegermächte entstanden sei.
Diese rechtsextreme Gruppierung behauptet, dass das Deutsche Reich völkerrechtlich weiterhin fortbestehen würde und die Weimarer Reichsverfassung weder von den Nationalsozialisten noch von den alliierten Siegermächten nach dem Zweiten Weltkrieg abgeschafft wurde und damit die Weimarer Verfassung weiterhin bestehen würde. Die Bundesrepublik mit dieser nicht identisch, Völker- und Verfassungsrechtlich illegal, kein Rechtssstaat und nicht existent sei. “Reichsbürger” sind deshalb auch der Meinung, sie könnten durch eine Erklärung aus dem System austreten und müssten keine Steuern, Bussgelder oder Geldstrafen bezahlen.
Über Kontakte die ich während der Recherche herstellen konnte, gelang es mir mit mehreren “Reichsbürgern” zu sprechen. In Oberbayern traf ich mich an der österreichischen Grenze mit einem “Reichsbürger”, der auch in Österreich lebt. Ich traf einen eher introvertieren, durchschnittlich, unauffällig aussehenden Mann, der zunächst zögerte, aber keinen geistig verwirrten Eindruck machte. Flüchtlinge war das “Reizwort”, das seinen Gesichtsausdruck, Gesichtsfarbe, Auftreten und Gemütszustand änderte und es aus ihn heraus brach: “Die werden sich alle noch wundern.” Ich fragte, wen er damit meinen würde: “Die da Oben, die meinen sie können alles machen was sie wollen.” Dabei sei Deutschland gar kein Staat, sondern eine GmbH. “Die Bevölkerung ist doch nur Personal und Politiker machen doch was sie wollen, deshalb heißt der Ausweis ja auch Personalausweis. Die haben keine Befugnisse und haben uns gar nichts zu sagen. Das Deutsche Reich ist immer noch von den Alliierten besetzt und befindet sich im Kriegszustand.” Dies wüssten inzwischen immer mehr.
Auf meine Frage ob er auch Mitglied der AfD oder FPÖ sei, meinte er, dass er regelmäßig zu den Versammlungen gehen würde. “Wir sind gut vernetzt, auch ins Ausland und werden regelmäßig über Newsletter informiert. Es gäbe auch gute Kontakte zum Kuk-Klux-Klan, in den USA und Deutschland. Auf meine Frage ob auch eine Vernetzung über die sozialen Netzwerke wie Facebook stattfinden würde, antwortete er: Nein. Dort seien nur die Trottel unterwegs die sich wichtig machen und provozieren wollen. “Die AfD und FPÖ haben recht, sind aber in der Umsetzung nicht hart genug.” Als ich fragte wie er dies meint: “Na, ja die ganzen Ausländer die hier sind, müssen raus. Es dürfen keine Flüchtlinge mehr aufgenommen werden, die sind nur Schmarotzer, Ausländer müssen raus.” Um die Deutschen und Österreicher würde sich auch niemand kümmern. Auf die Frage was er beruflich macht, antwortete er: “Ich bin schon lange ausgestiegen und mache gar nichts mehr, weder für diesen noch für den anderen Staat.”
Er habe inzwischen ja auch einen anderen Pass von der “Reichsdruckerei”, dort bekäme man auch alle anderen “Reichs-Papiere”. Auf meine Frage, ob er diesen auch am Flughafen vorlegen würde und damit ausreisen dürfe, begann er zu schweigen und antwortete dann nach erneutem Nachfragen zögernd, dass er noch einen deutschen Reisepass habe.
Bei allen Gesprächen mit “Reichsbürgern”, Rechtspopulisten, Nationalisten, Anhängern der rechtsextremistischen AfD, FPÖ und Sympathisanten hörte ich immer den gleichen Tenor – ohne jegliches Unrechtsbewusstsein und Demokratieverständnis: Hass, Neid, Antisemitismus, Rassismus, Leugnung des Holocaust, Fremden-, und Ausländerfeindlichkeit, Nationalismus, Protektionismus (Abschottung), Globalisierungsgegner mit der Meinung man könne die Globalisierung durch Nationalismus stoppen und zurückdrehen, Bewunderung des Nationalsozialismus und die Sehnsucht nach einer “starken” Hand – die endlich “durchgreift”.
Organisierte Desinformation!
Gleichzeitig befragte ich Leute auf der Strasse, in den Orten und Städten in denen ich recherchierte, ob diese wüssten wer “Reichsbürger” sind. Das erste Mal erfuhr die Öffentlichkeit von der Existenz der “Reichsbürger” erst Ende 2016 durch die Medien.
90 % der Befragten wussten zu diesem Zeitpunkt noch nichts von den “Reichsbürgern”, hätten aber schon davon gehört, dass Deutschland nur eine GmbH sei. Diese Information hätten die Leute entweder von Websites im Internet, anderen Leuten erfahren oder Newsletter die an sie weiter geleitet worden wären.
Bei meiner Recherche sprach ich auch mit zehn uniformierten Polizisten, die sich nach langem hin und her mit mir trafen, nachdem ich ihnen Quellenschutz, aus Angst vor Repressalien, garantierte. Mit dem Ersten verabrede ich mich in einer Kleinstadt in Oberbayern: “Haben Sie keine Angst vor den Folgen, wenn sie über das “braune Lager” recherchieren?” War das erste was ich hörte. Auf meine Frage wie er dies meinen würde – ich sei Journalistin! “Das interessiert die doch nicht. Einschüchterung und der Fall Kachelmann sind keine Ausnahme. Es gibt genügend übereifrige, uniformierte Polizisten und Staatsanwälte, die alles tun, um befördert zu werden.” Ich fragte ob dies bedeutet, dass Ermittlungsverfahren und Prozesse geführt werden, die gar nicht stattfinden dürften? “Ja, davon lebt ein ganzes Justizsystem, Anwälte die bezahlt werden müssen und Gerichte die mit Steuergeldern Prozesse führen.”
Während ich dies schreibe, meine Aufzeichnungen lese und höre, denke ich an die Schlagzeilen vor Kurzem, über die Einschüchterung gegen Geistliche die in Bayern Kirchenasyl gewährten.
Ich kenne den Fall Kachelmann sehr genau, der wegen Falschanschuldigung seine Unschuld durch die Instanzen im deutschen Justizsystem beweisen musste und inzwischen die Prozesse, auch Schadensersatzklagen gewann. Vor Kurzem wurde ein Verfahren wegen Falschanschuldigung gegen seine Ex-Geliebte eingeleitet.
Ich fragte den Polizisten wie ich dies verstehen soll? “Ich lehne es ab so zu arbeiten, es gibt aber genügend Kollegen die damit keine Probleme haben und auch mal “hinlangen”, wenn nicht sofort der Ausweis vorgezeigt wird. Als ich fragte, was nach einer Dienstaufsichtsbeschwerde passieren würde, begann er zu schmunzeln: “Polizisten wird immer geglaubt und können sich fast alles erlauben.” Auf meine Frage ob er damit den Fall in Rosenheim meint: “Sie haben ja gründlich recherchiert”. Ich fragte ob Polizisten nicht zunächst deeskalieren und sich an bestehende aktuelle Gesetze halten sollten, antwortet der Polizist, dass die meisten Kollegen weder den aktuellen Stand der Gesetze kennen, noch wissen, was im Grundgesetz stehen würde. Deeskalation, sei bei der Polizei in Bayern heute nicht mehr gefragt.
Er habe schon genügend Ärger gehabt, weil er sich gegen Rechts stellte, selbstständig denken und hinterfragen würde und eine andere Berufsauffassung habe, weshalb er von den Vorgesetzten schikaniert worden wäre und beinahe seinen Job verloren habe. Karriere würde man in Bayern mit seiner Einstellung bei der uniformierten Polizei ohnehin nicht machen. Inzwischen seien ca. 40 % der uniformierten Polizisten in Bayern AfD-Wähler und Sympathisanten oder gehören “Reichsbürgern” an. Er habe die Nase voll sich gegen Rechts zu stellen, man könne nichts ändern und wenn, dann müsse man in Bayern mit Repressalien rechnen. Ich solle auf mich aufpassen und mich, wenn etwas passieren sollte, an das BKA wenden.
Nach meiner Recherche, auch über die NSU, erhielt ich 4 Morddrohungen, mein Handy sowie mein e-mail Account wurde gehackt und mehrere Einschüchterungsversuche.
Der hohe Prozentsatz machten mich sprachlos. Ich sprach mit meinem Kollegen Jürgen Roth, der sich seit Jahrzehnten auch mit organisierter Kriminalität beschäftigt. Er wunderte sich nicht über dieses Ergebnis und meinte die Zahlen seien durchaus realistisch, nicht nur für Bayern, sondern in ganz Deutschland. Ein Kollege in Österreich war ebenfalls nicht verwundert über das Ergebnis und meinte, dass der Prozentsatz in Österreich wesentlich höher sei, sich die Polizisten dort noch mehr erlauben dürften, schlechter ausgebildeter seien und ca. 60 – 70 % der FPÖ angehören.
Einige Zeit später wurde ich selbst Zeuge, als ein Polizist wegen einer angeblichen Ruhestörung sich nicht nur unverhältnismäßig verhielt, sondern auch sein Amt missbrauchte. Die Polizei verwarnte nicht wie Üblich beim ersten Eintreffen wegen angeblicher Ruhestörung, sondern trat von Beginn an aggressiv auf, war an Deeskalation nicht interessiert und drohte mit Gewahrsam und einer Anzeige, wenn der Hauseigentümer sich nicht ausweisen würde. Die Identität des Hauseigentümers war den Polizisten bekannt. Wenn ich mich nicht als Journalistin zu erkennen gegeben und darauf hingewiesen hätte, dass gar keine laute Musik, sondern nur lautes Lachen und ein Fernseher auf Zimmerlautstärke zu hören war und ich das Gespräch aus Beweisgründen aufzeichne, wäre die Situation eskaliert. Ein Bundeswehrangehöriger, der sich in Kaufbeuren in Ausbildung befindet, und gegen das Einverständnis des Hauseigentümers als Untermieter in seinem Haus, ca. 40 km südlich von München, wohnt, macht ihm seit längerer Zeit das Leben schwer. Er rief die Polizei und ließ diese in das Haus des Hauseigentümers. Beleidigungen, auch gegenüber Besuchern und anderes rechtswidriges Verhalten, mit dem sich die Anwälte des Hauseigentümers beschäftigen müssen, sind an der Tagesordnung. Trotz meiner anschließenden schriftlichen Zeugenaussage wurde weder mir, noch dem Hauseigentümer geglaubt. Der Einspruch des Rechtsanwalts gegen diese angebliche Ordnungswidrigkeit war erfolglos. Dies würde auch mit den Gesetzesentwurf von Justitzminister Heiko Maas zusammenhängen, dass man Polizisten bereits jetzt mehr als Bürgern glauben würde. Der Einsatz von Body-Cams, wie in den USA und inzwischen auch anderen Bundesländern in Deutschland, hätte ein Fehlverhalten der Polizei verhindert und würde die Glaubwürdigkeit der Bürger nicht grundsätzlich in Frage stellen, wie dies bereits jetzt der Fall ist.
Die Ursachen für den Rechtsruck bei der uniformierten Polizei würde damit zusammenhängen, wie mir berichtet wurde, dass es zu wenig Polizisten gäbe, man viele Dienste und Überstunden schieben müsse, schlecht bezahlt würde und vor allem die Neuen schlecht ausgebildet seien. Zur Überbelastung der Polizei würden auch die seit Jahren zunehmenden permanenten Streitereien und Nachbarschaftsstreitigkeiten der Bevölkerung beitragen, “wegen jedem Mist wird die Polizei gerufen, für ernsthafte Vorkommnisse fehlt dann die Polizei. Aber fragen Sie mal die Feuerwehr, die haben ähnliche Probleme.” Die Bevölkerung sei nicht mehr in der Lage miteinander zu sprechen und Probleme selbst zu lösen. Anzeigen seien kostenlos und Gerichte deshalb überfüllt. Wenn die Leute die Kosten wie bei Zivilverfahren selbst tragen müssten und Falschaussagen härter bestraft würden, “würde die Polizei auf dem Land ausreichen, in den Großstädten ist dies extremer.”
Auf meine Frage ob es Denunziation und gegenseitige Überwachung in Bayern nicht schon immer gab, meinte einer der befragten Polizisten, “das wird auch so bleiben und ist von “oben” erwünscht”. Zur Überbelastung führen auch die zunehmenden Demonstrationen, auf denen die uniformierte Polizei dann auch noch müsste, so kämen unzählige Überstunden zusammen.
Politiker würden permanent neue Gesetze erlassen, wegen Wählerstimmen Sicherheitsrisiken konstruieren, anstatt bestehende Gesetze einfach anzuwenden und mehr Polizisten einzustellen, die in den letzten Jahren eingespart wurden. Auf soziale oder Bürgerkompetenz käme es bei der Bayerischen Polizei nicht an, sondern, dass man sich bedingungslos anpassen müsse, “dem Vorgesetzten nicht widerspricht und möglichst viel Dienst schiebt.”
Auf meine Frage wieso Bürgerkompetenz nicht gefragt sei und warum es keine Beamten mehr wie früher gibt, die Streife gingen, Kontakt zur Bevölkerung hatten und wussten was in ihrem Revier passiert, meinte ein Polizist: “Wie gesagt, Polizisten werden seit Jahren eingespart. Dies soll jetzt die Videoüberwachung übernehmen. Außerdem wird die Bevölkerung nach den Vorgaben von Oben und den Vorfällen in den letzten Jahren, eher als Bedrohung betrachtet. Die Zeiten des “Freund und Helfer” sind vorbei.”
Zwei andere Polizisten berichteten, dass Polizisten in den Großstädten von ihrem Einkommen nicht mehr leben können, weil die Mieten so hoch seien. Also seien die meisten Polizisten frustriert, nervlich überbelastet und wenden sich dann dem rechten Lager oder der AfD zu, weil sich nichts ändern würde. In den ehemaligen Hochburgen in Bayern in denen früher die Nazis mit der SS aktiv waren, habe sich ohnehin nicht viel geändert, aber dies hätte ich ja bereits festgestellt.
Auch bei Landwirten erhöht sich der Frust und sind per e-Mail über Newsletter und Veranstaltungen vernetzt. Vor allem Landwirte mit kleinen und mittleren Betrieben, sind wegen dem Bauernverband, der mit der Regierung “verbandelt” sei, nichts tun würde, sondern nur Großbauern unterstützen würde, wie auch die EU, frustriert und organisieren sich. Die meisten von ihnen waren ehemalige CSU Mitglieder/Wähler.
In Bayern verweigerten viele Landwirte einen TBC-Test. Die Krankheit würde ihrer Meinung nach erst durch den Test entstehen, bei dem mit einer Nadel der gesamte Viehbestand getestet würde. Ein weiterer Grund für Ausbreitung der Krankheit, sei der Almabtrieb bei dem Tausende von Jungvieh die auf den Almen standen, wegen den Touristen und Profit, zusammengetrieben, berichten die frustrieren Landwirte. Ein Bauer verweigerte den Behörden den Zugang auf seinen Hof, nachdem seine Rinder erkrankt waren und auf TBC getestet werden sollten. Er berichtete von verschiedenen Machenschaften der CSU, zu der er einmal gehört habe. Von der “Spezlwirtschaft” der Politiker in der Landes- und Bundesregierung mit dem Bauernverband, den Landratsämtern und Amts-Veterinären in Bayern. “Die “Spezln” der Gemeinde-, und Landräte werden nicht kontrolliert und können machen was sie wollen.” Man müsse sich endlich wehren. Deshalb würde er und viele andere die AfD unterstützen, oder gehören den Reichsbürgern an, die würden für ihn eintreten.
“Die haben mir gar nichts zu sagen.” Der Landwirt wie auch viele andere Landwirte waren davon überzeugt, dass die Erkrankungen ihrer Rinder durch Impfungen entstanden seien. Auf die Frage was sie den Kühen zu fressen geben, warum sie nicht auf der Weide stehen oder ob die Pestizide die sie einsetzen, vielleicht die Ursache für ihre Kranken Rinder sein könnten, verstummten sie. Man müsse eben das tun – wofür man in Deutschland und der EU subventioniert wird.
Auch diese Landwirte sind mit diesen Gruppierungen, die sich gegen das System, die Demokratie, die EU, die Globalisierung richten, vernetzt, werden per e-mail und Newsletter informiert und zu Veranstaltungen und Vorträgen einladen – außerhalb der sozialen Netzwerke.
Seit mehr als 10 Jahren fahren vor allem in ländlichen Gegenden in Bayern, Sachsen, Thüringen, dem restlichen Bundesgebiet, wie auch in Österreich, Nationalisten und Rechtspopulisten herum, die sich bei der Bevölkerung als politische Ansprechpartner, Umwelt-, und Naturschützer ausgeben oder zu Kleinst-Parteien gehören, die vorgeben sich für die Landwirtschaft, Natur, Umwelt und Bürgerrechte einzusetzen um Vorträge, Versammlungen und Demonstrationen in ganz Deutschland und dem Ausland zu organisieren – die sich “gegen alles” richten und mit Gleichgesinnten in EU-Ländern, den USA und Canada vernetzt sind.
Zu der Zielgruppe gehören Landwirte, eine frustrierte ländliche und städtische Bevölkerung: Ehemalige frustrierte CSU Wähler, frustrierte Niedrig-Lohnempfänger, Mini-Jobber, Leiharbeiter, frustrierte Rentner, sogenannte “besorgte” Bürger, Arbeitslose, wie auch eine wohlhabende Mittel- und Oberschicht.
Auf den Vorträgen werden die Verschwörungstheorien, Halbwahrheiten und das verbreitet das man auf “bestimmten” Websites im Internet lesen kann. Bei den Vorträgen werden neue e-mail Adressen für die Newsletter gesammelt oder Teilnehmer für die organisierten Demonstrationen rekrutiert, die in ganz Deutschland, aber auch im Europäischen Ausland stattfinden.
Zu den Vorträgen werden Referenten aus Europäischen Ländern mit Deutschen und deutschstämmigen Referenten, aus Canada und den USA mit gleicher Gesinnung eingeladen.
Landwirte werden in Bayern damit geködert, Genfreie Regionen durchgesetzt zu haben, verschwiegen wird aber, dass das importierte Futter wie Soja oder Mais, das in der konventionellen Landwirtschaft an Schweine und Rinder verfüttert wird, aus dem Ausland wie Brasilien oder Argentinien importiert wird und nicht nur genmanipuliert, sondern auch mit Pestiziden wie Glyphosat gespritzt wurde.
Um Akzeptanz bei der Bevölkerung herzustellen, geben sich diese sogenannten Aktivisten, selbst als arme “Mini-Jobber” aus, leben aber von Schwarzgeld, Sponsoren oder geerbtem Vermögen und sind an Profit interessiert. Vor den organisierten Demonstrationen wie gegen Handelsabkommen CETA und TTIP traf man sich bei wohlhabenden Verlagserben die in Berlin Zweitwohnungen besitzen, um anschließend gemeinsam auf die Demonstration zu gehen.
Das Ziel dieser Vorträge ist in erster Hinsicht, die Bevölkerung zu verunsichern, das System und die Demokratie zu destabilisieren, Angst und Schrecken zu verbreiten und vor allem die Teilnehmer in ihrer Meinung zu bestätigen.
Die meisten der Teilnehmer an solchen Vorträgen, in Deutschland und Bayern, als auch in Österreich, der Schweiz und anderen EU Ländern, waren EU-Gegner, Fremden- und Ausländerfeindlich, Rassisten, Antisemiten, Nationalisten, AfD, oder FPÖ Mitglieder, Pegida Anhänger und Sympathisanten, die auch gegen die Flüchtlingspolitik mobil gemacht wurden. Der Tenor dieser Veranstaltungen die sich “gegen alles” richten, vermittelten der Bevölkerung, man könne durch Nationalismus und Protektionismus die Globalisierung zurückdrehen.
Als die Flüchtlinge 2015 nach Deutschland kamen meinte einer dieser Nationalisten, dass es ihm nun reichen würde, er wolle jetzt etwas für die Verteidigung seines Vaterlands tun und ginge zur Bundeswehr.
Bei den Vorträgen geht es nicht darum die Bevölkerung tatsächlich und wahrheitsgemäß zu informieren oder die Grundsätze einer Demokratie zu vermitteln – also das was die etablierten Parteien und Medien versäumten – sondern in erster Hinsicht auf primitiven geistigen Niveau, Halbwahrheiten, Hass, Hetze, Verschwörungstheorien zu verbreiten, Nachwuchs zu rekrutieren, “schwarz-weiss” denken und schnelle Lösungen zu verbreiten. Die Teilnehmer dieser Veranstaltungen lehnten die Presse und restlichen Medien ab, diese würden nicht wahrheitsgemäß, über das was tatsächlich passiert berichten und mit der Politik unter einer Decke stecken.
Das Erschreckende bei den Teilnehmern und Organisatoren solcher Veranstaltungen war das niedrige Bildungsniveau und das nicht vorhandene Demokratieverständnis, die an das was verbreitet und erzählt wird glauben, davon überzeugt sind und eine “Vorlage” für den derzeitigen Rechtsruck auch in den USA und der rechtspopulistischen Plattform Breitbart gewesen sein könnte – wo gleiche und ähnliche Inhalte verbreitet werden.
Das “Geschäft” mit den Verschwörungstheorien boomt.
Die Reichsbürger sind also nur ein Teil eines großen, nationalistischen und rechtspopulistischen Netzwerks, zu denen auch Fans von Jürgen Elsässer und Leser des Kopp Verlags, Pegida, AfD und FPÖ gehören, denen es um die Destabilisierung der Demokratie über die Verbreitung meist immer der gleichen Verschwörungstheorien, Unwahrheiten, die Verbreitung nationalsozialistischem Gedankenguts, Hetze, Hass und um das große Geschäft mit Verschwörungstheorien, geht. Die sogenannten “Reichsregierungen” finanzieren sich durch Mitglieder, den “Reichsbürgern”, dem Verkauf von rechtswidrigen “Reichs-Ausweisen”, Genehmigungen und Papieren.
Eine bildungsferne, frustrierte und sich abgehängte Bevölkerung als leichte Beute in einem nationalistischen und rechtspopulistischem Netzwerk, das sich als Natur- und Umweltschützer, für Bürgerrechte ausgibt. Die Ergebnisse der etablierten Parteien, denen es seit vielen Jahren nicht um das Wohlergehen der Bürger, sondern um Wählerstimmen und den eigenen Vorteil geht, wie auch nicht stattgefundene Bildung, Information und Aufklärung der Medien.
Das Ergebnis ist eine bildungsferne, frustrierte Bevölkerung ohne Demokratieverständnis, die sich als Opfer fühlt und erneut einen Schuldigen sucht. In einem nationalistischen, rechtsextremistischen Netzwerk und gefundenes Fressen für Jürgen Elsässer, Frauke Petry und andere Rechtspopulisten. Die Plakate mit Vorträgen für die Landbevölkerung werden weiterhin in den Dörfern und Kleinstädten aufgehängt werden – außerhalb der sozialen Netzwerke.
Das Verhalten von Erdogan gegenüber Deutschland und der Versuch die Gesellschaft zu spalten, ist also nur eine “Kopie” dessen, was längst, auch durch etablierte Parteien, stattfand und spätestens seit Sarrazin salonfähig wurde. Meine Recherche gleicht einer Blaupause für das Ergebnis der Wahlen in den USA, als eine sich abgehängt fühlende Landbevölkerung Donald Trump wählte.
Keinesfalls sollte man sich in Europa auf dem positiven Wahlausgang in den Niederlanden ausruhen oder auf die Entwicklung in den USA mit Donald Trump sehen. Die Amerikaner haben eine funktionierende Gewaltenteilung, eine Zivilbevölkerung die sich im Widerstand befindet und Medien die funktionieren. Sie werden auch das Problem Trump lösen und daraus lernen.
Der Rechtsruck und die Politikverdrossenheit in Deutschland sind hausgemacht. Zu meinen Nationalisten, Rechtspopulisten und Rechtsextremisten würden von alleine verschwinden, hätte fatale Folgen nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa.
Sie waren immer da und es wird niemals aufhören, vor allem nicht dann, wenn Politiker nicht endlich für das Wohlergehen der Bevölkerung und die Medien nicht für Aufklärung zu mehr Demokratieverständnis sorgen.
Astrid Ebenhoch ist Journalistin und Gründerin von Hounds & People.
Update 06.04.2017 Weitere Artikel die zu diesem Thema anschließend in den Medien erschienen:
- Jetzt.de: Rassismus in der Polizei: Ein junger Polizist berichtet
- Deutschlandradio Kultur: Reichsbürger in Bayern im Visier
- Tagesschau.de: Bundeswehr Rechtsextremismus
- Belltower.news: Rechtsextremer Bundeswehr-Leutnant führte doppel-leben als Flüchtling
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Siehe auch:
- Donald Trump – Rechter Terror in Charlottesville und USA
- Das System versagt in der Rechtswirklichkeit
- Das Interwiew mit Donald Trump und Kallstadt
- Ranier Wendt bezog Beamtensold ohne als Polizist zu arbeiten
- Rechtspopulismus, Missgunst, Neid und Hass
- Landtagswahl 2016: “Springtime für Hitler und Germany”
- Rassismus ist das Problem und nicht Facebook
- Mord und Totschlag als Fernsehkultur
- Springer Verlag wird verurteilt: 635.000 € Schadensersatz an Kachelmann
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- Heute vor 75 Jahren Premiere: Der grosse Diktator
Der Rechtsruck ist nicht verwunderlich! Bei dem Verhalten der Politiker und auch der Presse, die nur noch aus der Konserve berichtet. Kein wunder also für die Politikverdrossenheit, so dumm ist die Bevölkerung eben doch nicht wie Politiker immer meinen. Guter Artikel! Leider gibt es zu wenige davon. Dann gehen die Leute eben und informieren sich wo anders.
Endlich mal jemand der darüber berichtet, was da draußen eigentlich los ist und von den Medien verschwiegen wird. Toller Artikel! Danke!
Hervorragender Text! Gratulation! Eine Seltenheit bei den Medien, bei denen es kaum noch Recherche und keinen investigativen Journalismus mehr gibt. Man kann nur hoffen, dass verstanden wird, was dies für die Demokratie, die Freiheit und Rechte der Bürger und einen Rechtsstaat für Folgen hat.