Sehr geehrter Herr Gabriel,
wir sind bestürzt und entsetzt über Ihren politischen Populismus auf dem Rücken der Menschen in Griechenland.
Ihre beispiellose Hetze heute in der Bildzeitung und gestern im Bericht aus Berlin gegen die Tsipras-Regierung ist unwürdig und ein beispielloser Umgang eines SPD-Vorsitzenden mit dem souveränen Staat Griechenland.
Kennen Sie die Wahrheit nicht, wollen Sie, sie nicht kennen oder verdrängen sie?
Wir möchten Ihnen gerne ein paar Fragen stellen, die Ihnen auch bei der Wahrheitsfindung helfen können:
Wissen Sie nicht, daß fünf Jahre Troika-Diktate und deren devote Umsetzung durch konservative und sozialdemokratische Regierungen die griechische Gesellschaft und Wirtschaft ruiniert haben?
Ist Ihnen völlig unbekannt, dass die Reichen des Landes immer reicher, die Mehrheit der normalen Menschen flachendeckend dagegen verarmte?
Haben Sie nie etwas von der millionenfachen Armenspeisung gegen das Verhungern gehört?
Sind Ihnen Informationen vorenthalten worden aus denen hervorgeht, wie durch Troika-Methoden, die in Griechenland willfährig umgesetzt wurden, sich die Schulden fast verdoppelt haben?
Können Sie sich als Wirtschaftsminister vorstellen, daß so ein Schuldenberg von Griecheland nie zurückgezahlt werden kann?
Ist Ihnen von Ihren Berater_innen nicht mit mitgeteilt worden, wie die Gewerkschaften entmachtet wurden, die Löhne und Renten brutal gesenkt und unzählige Mittel-und Kleinbetriebe in den Bankrott getrieben wurden?
Haben Sie nie davon gehört, daß hundertausende Akademiker und Fachleute ins Ausland gegegangen sind, die in Griechenland in naher Zukunft nicht ersetzt werden können?
Wir können uns nicht vorstellen, daß Ihnen auch entgangen ist, wie es um das Gesundheitswesen in Griechenland bestellt ist. 30 Prozent der Menschen haben keine Krankenversicherung mehr. Es ist die biittere Wahrheit: “Arme sterben dort täglich!”
Und ist völlig an Ihnen vorbeigegangen, daß alles dies zu einer gigantischen humanitären Katstrophe geführt hat, die vor dem Troika-Terror noch unvorstellbar war?
Anstatt sich die Mühe zu machen diese Fakten zur Kenntnis zu nehmen und als sozialdemokratischer Teil der neoliberalen Bundesregierung Tsripas und Syriza zu unterstützen und zu helfen, beschimpfen sie heute via Bildzeitung die demokratisch gewählten Politiker auf schlimmste Weise.
In populistischer und antikommunistischer Manier hetzen Sie gegen die griechische Regierung. Die Absicht dahinter kann nur sein, das Scheitern von Ministerpräsident Tsipras und seiner Regierung zu befördern und in Kauf zu nehmen.
Uns treibt das die Schamesröte ins Gesicht.
Syriza wurde gewählt, endlich in Griechenland einen radikalen Politikwechsel herbeizuführen. Das versucht nun auch Tsripas und seine Regierung.
Dagegen formulieren Sie heute im “Gastbeitrag” für die Bildzeitung Ihren politischen Widerstand. Folgt man Ihren Tiraden, wollen Sie offensichtlich, dass die neoliberalen Verwüstungen noch gesteigert werden müssen.
Nein, halten wir Ihnen entgegen. Nie und nimmer zurück zu den Troika-Diktaten. Statt dessen:
Ein Schuldenerlass muß unabdingbar her, ja Sie hören richtig, EU-Mittel müssen fließen, ohne Rückzahlungsverpflichtung, für ein großes Investionsprogramm zum Wiederaufbau der Wirtschaft und des Landes und zur Finanzierung der Sanierung des nahezu zerstörten Gesundheitswesens,
Natürlich muß Griechenland seine Steuereinnahmen optimieren u. a. durch eine massive Oligarchen-
Besteuerung, durch dem Kampf gegen Steuerhinterziehung und – flucht und durch eine umfassende militärische Abrüstung.
Dazu muß man der griechischen Regierung aber Zeit und Unterstützung geben. Bisher profitierte die deutsche Wirtschaft glänzend durch die existierende Klientelwirtschaft. Möglicherweise wollen Sie das gar nicht ändern.
Wenn Griechenland die Chance bekäme, ökonomisch und sozial wieder auf die Beine zu kommen, wäre die Rückzahlung eines Teiles der Schulden auch wieder möglich.
Und selbstverständlich gehört in ein solches Szenario, daß Deutschland zunächst den Nazi-Zwangskredit an Griechenland mit Zins uns Zinseszins zurückzahlt. Aber davon wollen Sie ja nichts wissen, wie Sie immer wieder verlauten lassen.
Es wäre ein Lichtblick für die politische Kultur, wenn endlich Sie, Herr Gabriel, als SPD-Vorsitzender, von Ihrem hohen Roß herunterkommen würden und im solidarischen und gerechten Umgang mit den Menschen Griechenlands engagiert für ein soziales Europa eintreten, um dem zerstörerischen Neoliberalismus einhalt zu gebieten.
Mit freundlichen Grüßen
Mitglieder des Arbeitsausschuß “Griechenland-Komitee Frankfurt/Rhein-Main”
Elisabeth Abendroth
Dr. Bernhard Winter (Verein demokratische Ärztinnen und Ärzte)
Siegfried Müller-Maige (ATTAC)
Konstatinos Bouras (Syriza Hessen)
Knut Dörfel (ehm. Schuldirektor/GEW)
Herbert Bayer (ehm. Ver.di-Sekretär für Banken und Versicherungen in Frankfurt)
Dieter Storck (Rosa-Luxenburg-Stiftung-Hessen)
Dieter Hooge (ehemaliger Vositzenden des hessischen DGB)