Am 1. Mai 1962 wird im Madison Square Garden in New York eine große Party zu John F. Kennedys 45. Geburtstag gefeiert. Marilyn Monroe singt das berühmte Happy Birthday, Mr. President. Maf, ihr Hund, der zuhause in Kalifornien bleiben musste, sieht sie im Fernsehen: “Meine mir vom Schicksal bestimmte Freundin sah aus, als hätte nichts Irdisches sie jemals berührt”, schwärmt er.
Maf ist ein Malteser, kein grosser Hund, vielleicht 25 cm hoch, mit langen weißen Haaren bis auf den Boden, ein Bichon maltais, sein Stammbaum reicht ins alte Ägypten zurück. Er verschweigt den Mithunden allerdings, dass seine Vorfahren dort nur als Rattenjäger beschäftigt waren, schließlich nennen sie ihn Prinz von Malta. Im November 1960 bringt Frank Sinatra ihn als Geschenk zu Marilyn Monroe. Es ist Liebe auf den ersten Blick: “Wow, oh Gott, ich liebe ihn”, sagt Marilyn und nennt ihn, wohl Frankie Boy zu Ehren, Mafia Honey, Maf.
Marilyn, gerade von Arthur Miller getrennt, nimmt Maf, ihren Schneeball, überallhin mit. Er lernt das endlose Gerede der Showbiz-People kennen, Roddy McDowall, Lee Strasberg, Carson McCullers, Alfred Kazin, alle die Größen der 60er Jahre. Maf findet es zunächst interessant, in Knöchelhöhe durch die Räume zu streifen und den Unterhaltungen zuzuhören, denn er versteht – wie alle Tiere – die Sprache der Menschen. Und er findet viele ihrer Ansichten albern. Gelegentlich versucht er, sich einzumischen – aber die Menschen verstehen ihn nicht – sie hören nur sein Bellen und amüsieren sich darüber. Einmal kann er sich nicht zurückhalten, er beißt Lillian Hellmann in den Knöchel – höher kommt er ja nicht – weil sie den Genossen Trotzki für einen Verräter hält; Amerika 1961.
Maf begleitet Marilyn zu ihrer Psychiaterin, deren Vater ein Freund von Sigmund Freud war, sie ist seine glühende Verehrerin. Das Gespräch ist endlos. Eine Spinne mit verhangenen Potraucheraugen, die über den Schreibtisch der Ärztin marschiert, erklärt Maf deren Charakter – “mein Gott, arme Marilyn”.
Und er ist bei ihr in der psychiatrischen Klinik, wo er ihr Zimmer bewacht, in dem sie tagelang Sigmund Freuds Briefe liest. Übrigens: Auch Freud suchte Halt bei einem Hund, seiner Chow-Hündin Jo-Fi. Wie auch noch andere Große: Thomas Mann und sein Hühnerhund Bauschan oder Richard Wagner und Minnas Spaniel Peps. Maf versteht das vollkommen und zitiert Kafka: “Alles Wissen, die Gesamtheit aller Fragen und Antworten ist in den Hunden enthalten”.
Im Nebenzimmer unterhält sich Maf mit den Bettwanzen – unsere Seele ist russisch – über die große Dualität und Widersprüchlichkeit unseres Zeitalters. Nun ja.
Beiläufig erfahren wir, dass Hunde Katzen deswegen nicht leiden können, weil sie sich ständig einer poetischen Sprache bedienen: “So höre, Köter, meinen Fall”. Hunde sind dagegen der Prosa verpflichtet. Auch die philosophischen Ansichten von Fliegen werden gelegentlich diskutiert.
Marilyn und Maf kehren zurück nach LA, Doheny Drive, dem westlichen Ende des Sunset Strip. Auf einem Ausflug nach Mexiko wird Maf auf einer Party für Marilyn nicht nur mit Trüffelomelett verwöhnt, zu später Stunde erklärt der berühmte Catinflas, Maf zum Diktator des Optimismus, der sich an der Seite dieser wunderbaren Frau nach Mexiko eingeschlichen habe, um als Präsident zu kandidieren. Die Gäste sind begeistert, Maf auch.
Dann trifft Marilyn auf einer Dinnerparty von Peter Lawford am Strand von Malibu den Präsidenten. Sie unterhalten sich den ganzen Abend, angeregt, eng beieinander sitzend, über Bürgerrechte, Martin Luther King und den Ruhm, den Marilyn schon länger erfährt, als der Präsident. Maf spielt derweil mit einem langen Faden an der Hose Kennedys, der nimmt von ihm keine Notiz. Ob da noch mehr sein wird mit Marilyn und dem Präsidenten, die sich noch einige Male begegnen – Maf erwähnt es nicht.
Die Fernsehübertragung ist zuende, aus dem Apparat tönt Musik, klassische, Wagner Das Rheingold. Maf sitzt am Rande des Swimmingpools, dessen Wasser sich für ihn in den tiefblauen Rhein verwandelt, aus dem gleich die Rheintöchter auftauchen werden um den Verlust ihres Goldes zu beklagen. Er blickt auf und glaubt am Himmel das wilde Flammenmeer des Scheiterhaufens zu sehen, in das Brünnhilde auf ihrem Pferd Grane reitet. Götterdämmerung. Maf geht ins Haus und legt sich auf das Bett seines Frauchens, um ihren einzigartigen und immerwährenden Duft zu schnuppern.
Hier, auf Seite 334 endet die Geschichte von Maf und seiner Freundin Marilyn.
Es ist ein amüsantes Buch, allerdings keins über Hunde, sondern das Buch eines Hundes über menschliche Schwächen und Bosheiten und ein Buch über eine naiv-charmante und erstaunlich belesene Marilyn Monroe, verzweifelt auf der Suche nach sich selbst. Maf ist der Erzähler und seine Ansichten und Kenntnisse in Psychologie, Literatur und Politik prägen die Geschichte.
Die ist leider manchmal etwas lang geraten, 30 Seiten Geschwätz auf Alfred Kazins Party am Riverside Drive oder 15 Seiten Psychiater-Gespräch sind zu viel und manche philosophische Diskussion der Tiere untereinander etwas überzogen, um nicht zu sagen manieriert. Dem Leser hilft es, wenn er sich im amerikanischen Showbusiness der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts auskennt. Dennoch: ein Buch für Leser die Hunde mögen, ist es allemal.
Andrew O‘Hagan gilt als einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Großbritanniens.
ist sein vierter Roman. Fischer Verlag, EUR 19,95.
Das Buch soll demnächst in Hollywood verfilmt werden.
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