Wissen Sie, wie Donald Trump die Wahl gewann?
Er hatte nicht die Mehrheit. Es ist den Republikanern aber gelungen, die Linken davon zu überzeugen, Hillary nicht zu wählen.
Das kam so: Anstatt Hillary aufzubauen und begeistert zu unterstützen, sprachen die Linken zuhause und online ständig über ihre Schwächen, und nur über ihre Schwächen. Sie würde wegen ihrer E-Mails lügen, sie würde gegen Sanders kämpfen, etc. (Alles Einwände, die ihnen die Republikaner zugespielt haben.)
Die große Enttäuschung mit ihr war, dass sie nicht perfekt war (das ist auch der Einwand gegen die Wissenschaft.) Das höchste Lob, dass die Linken Hillary geben konnten, war: „She is the lesser of two evils“ – „Sie ist von zwei bösen Dingen, das etwas weniger Böse.“
Als es dann zur Wahl kam, blieben sehr viele Linken einfach zuhause oder sie wählten einen dritten Kandidaten– sie sahen keinen Grund, sich um jemanden zu bemühen, der „etwas weniger böse“ war.
In dem anderen Lager war es anders.
Kein Trump-Unterstützer bildete sich ein, dass er perfekt war oder perfekt sein sollte. Sie wussten, wie Politik funktioniert – eine solche Einstellung wäre für sie nur kindisch gewesen. Statt an Trump rumzunörgeln – unterstützen sie ihn aus vollem Herzen.
Als alle Medien Trumps Schwächen, Lügen, Dummheiten, Frauenfeindlichkeit, Steuerhinterziehung, Verachtung für den kleinen Mann, wirtschaftlichen Betrug, Rassismus immer wieder klar darstellten, sagten seine Anhänger: „Na und? Wir lieben ihn.“
Sie sprachen nicht den ganzen Tag über das Negative, sondern über das, was sie für positiv hielten. Im Gegenteil, sie redeten das Negative klein, wenn sie überhaupt darüber sprachen, und kauften sich T-Shirts mit der Aufschrift „Trump can grab my pussy.“
Warum? Weil sie Trump wollten.
Wissen Sie, wie die Demokratie in Deutschland 1932/33 abgewählt wurde?
Weil alle in der Wirtschaftskrise sagten: „Warum hat die Demokratie unsere Probleme nicht gelöst? Wir dachten, die Demokratie würde alle Probleme lösen, aber in Wahrheit haben wir immer noch Probleme. Sie ist doch nicht perfekt.“
In Wahrheit ist die Demokratie ein Wahlsystem, kein Wirtschaftssystem, trotzdem sprachen alle nur über die vermeintlichen Schwächen der Demokratie, bis die Vorteile vergessen waren und es jedem so schien, als sei die Demokratie das eigentliche Problem.
Als es zur Wahl kam, bekamen die anti-demokratischen Parteien auf der linken sowie auf der rechten Seite den größten Zulauf.
So ist es auch heute noch – auch mit der Wissenschaft. Niemand behauptet, dass die Wissenschaft perfekt ist, alle Probleme löst, nicht manipulierbar ist, immer richtig ist, nie gefährlich ist, frei von Betrug oder Fehlern ist. Das ist ein Vorwurf, aber niemand behauptet das Gegenteil. Wissenschaft ist ein Prozess, der Fehler macht, um zu der Lösung zu gelangen, die von Menschen vorangetrieben wird, die oft dumm, politisch motiviert, geldgeil, etc. sind – genau wie wir alle.
Im Übrigen gilt das auch für diejenigen, die eine Alternative zur Wissenschaft anbieten – die Esoteriker, die Schamanen, die Demagogen, die hauptberuflichen Betrüger.
Die Wissenschaft wird nie perfekt sein – wer Perfektion möchte, muss schon Buddhist werden, aber das Welthungerproblem auch nicht lösen.
Ich weiß, in Deutschland gilt es als intellektuell, zu kritisieren. Es geht aber um das Verhältnis: Die Gelegenheit zu nutzen und nicht nur bei bestimmten Anlässen etwas positives zu sagen oder zu schreiben. Aber anstatt 99 positive Dinge zu schreiben und eine negative Sache, wird nur das Negative betont.
Wer 99 positive Dinge verschweigt und nur das eine negative Ding immer wieder betont, trägt dazu bei, dass das Positive vergessen wird.
Wenn Sie eine ideale Frau haben, die Sie liebt, schön ist, hart arbeitet, intelligent ist, der Sex großartig ist, sie aber ihre abrasierten Beinhaare in der Badewanne liegen lässt und dem jenigen der nach ihrer Frau fragt, immer nur antworten: Na, sie lässt ihre Beinhaare in der Badewanne liegen und Sie ihre Frau nur auch diese eine Sache reduzieren – dann werden Sie diese Frau verlieren.
Das ist die Methode, durch die eine Gesellschaft etwas verliert, das sie aber dringend benötigt: Ganz langsam und als Mode getarnt, wird Misstrauen in einer Sache gesät, bis das Vertrauen in einer Sache, ob in der Demokratie oder in der Wissenschaft, ganz verloren geht. Weil eben nur das Misstrauen betont wird.
Das tun wir gerade in unserer Gesellschaft – auch mit der Wissenschaft: Unser ganzes schickes, pseudo-moralisches Gerede über die „Schulmedizin“ und „Zivilisationskrankheiten“, unsere Überzeugung, dass Wissenschaftler in der Tasche des Großkapitalismus stecken, unsere ständige Betonung auf die Gefahren der Wissenschaft, anstatt den Willen zu stärken, mit den Gefahren umzugehen (wie wir mit allen Gefahren dieser Welt umgehen) – all dies trägt dazu bei, dass sich das “Blatt” wendet und das Vertrauen in den Grundpfeiler unserer Gesellschaft sich in Misstrauen und irgendwann in Abscheu verwandelt.
Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis Eltern ihren Kindern sagen: Na, geh bloß nicht in die Wissenschaft, das sind alles moralisch verwerfliche Menschen die aus Habgier unsere Welt zerstören wollen.
Und schon haben wir in der Gesellschaft mehr Schamanen, Verschwörungstheoretiker und Demagogen als Wissenschaftler – dann ist die Gesellschaft verdammt.
Eine Gesellschaft die sich nur am Negativen orientiert, wird sich auch entsprechend verhalten. So lange, bis das Negative und die Befürchtungen Wirklichkeit werden.
Ich sage es immer wieder und ich sage es jetzt noch einmal: Wer nicht das verteidigen kann, was er hat, wird es verlieren.
Eric T. Hansen ist Amerikaner, Buchautor, Journalist und Satiriker, lebt seit über 20 Jahren in Deutschland und heute in Berlin. Seine Bücher: oder ) und .
Siehe auch:
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- Warum ich stolz auf Amerika bin und in Deutschland lebe
- Was hab ihr eigentlich gegen mich?
- In Europa dient nicht der Staat dem Volk
- Deutsche Linke würde Donald Trump wählen
- Brexit und die Verantwortlichen
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