Berlins Image lebt vom Straßenkampf. Autofahrer kämpfen gegen Fahrradfahrer, Baustellen, Staatsbesuche, Großveranstaltungen und kultige Drehorte – gegen den Alltag der Bevölkerung. Traditionell wird am 1. Mai gekämpft und gegen die tägliche Partylaune der Touristen an einigen Orten sogar täglich.
Zurzeit wird zusätzlich ein unüblicher Straßenkampf geführt, der auf den ersten Blick wie eine Provinzposse wirkt, jedoch politischer ist, als Außenstehenden bewusst ist. Und zwar auf den hippen Straßen im Prenzlauer Berg. Genauer gesagt, in bzw. vor einem Café dessen Betreiber ein Kinderwagenverbot ausgesprochen und unerzogene Kinder als unerwünschte Gäste benannt hat. Nachdem diese liebend gerne Kuchen an die Wände schmieren oder an der Glasvitrine “Klimmzüge” machen.
Ein Skandal in dem Stadtteil Berlins, in dem normale Passanten vor lauter Kinderwägen kaum noch auf den Bürgersteigen gehen können und dessen neue Einwohner inzwischen schon „legendär“ geworden sind: Sie sind reich, fühlen sich gebildet, wählen Grün und sind Eltern kleiner Kinder. Das macht sie – in ihren Augen – zum Mittelpunkt der Welt. Oder zumindest in ihrem Kiez. Denn der Kiez gehört ihnen – sie haben ihn gekauft. Nirgendwo in Berlin ist der Anteil der Eigentumswohnungen so hoch wie im Prenzlauer Berg. Und nirgendwo ist der Anteil der Neuberliner aus Schwaben und Hamburg so hoch, nachdem ca. 80% der Bevölkerung dort in den letzten 15 Jahren vertrieben wurden. Für uns Berliner liegt Schwaben übrigens südlich und Hamburg nördlich von Brandenburg und Zugezogene aus diesen Regionen – also sogenannte „Schwaben-Burger“ – kaufen nicht nur unsere Kieze, sondern bringen auch noch ihre Spießbürgerlichkeit mit. Glauben sie doch, mit ihrer Saubermann-Mentalität die Kehrwoche in Berlin einführen zu müssen.
Und daher wird dann auch verlangt, dass der legendäre Wochenmarkt am Kollwitzplatz abgeschafft wird. Denn dort sei kein Parkplatz mehr zu finden, es lauter als sonst und die Gehwege durch die Stände verengt, dass die Designerkinderwägen nicht mehr durchpassen. Je höher das Stockwerk, um so häufiger wird geklagt, weiß ein Insider zu berichten.
Es ist deshalb nicht verwunderlich, dass genau diese Neuberliner/innen vor einigen Tagen gegen den Betreiber des besagten Cafés Strafanzeige wegen Diskriminierung gestellt haben, da er ausgerechnet ihnen angeblich den Zutritt verweigert.
Was hat dies nun alles mit uns Berliner Hundehaltern und dem neuen Hundegesetz zu tun?
Zunächst einmal sollte dieser Kampf um den Zutritt zu einem Café alle Hundehalter aufrütteln: Wir, die nach und nach aus den Parks im Innenstadtbereich vertrieben werden, weil die „Schwaben-Burger“ im Kiez alle 10 Minuten zum Telefon greifen und behauptete „Hundeattacken“ melden, sollten lernen, genauso selbstbewusst aufzutreten und deutlich zu sagen: Wir werden diskriminiert! Nicht nur das, wir werden auch noch stigmatisiert. Im Innenstadtbereich werden uns als Kompensation für gesperrte Grünanlagen Orte zugewiesen, die so klein und unschön sind, dass sie außer der Aufenthaltsberechtigung keine weiteren Qualitäten besitzen. Wir sind nicht nur unseren Hunden verpflichtet. Haben wir etwa keine Kinder? Keine Freunde? Ist unser einziges Bedürfnis, kleine Sandplätze zu bevölkern?
Doch damit nicht genug, – die bestehenden Gesetze und Verordnungen sorgen auch noch dafür, dass wir systematisch kriminalisiert werden. Falls wir nicht zufällig neben großen Auslaufgebieten wie im Grunewald wohnen, knebelt uns ein genereller Leinenzwang in Grünanlagen und Stadtwäldern. Dadurch sind wir gezwungen, uns gesetzeswidrig zu verhalten, damit wir unseren Tieren gerecht werden, damit wir einfach nur entspannt spazieren gehen können, damit unsere Kinder mit ihrem Vierbeiner spielen können, damit wir ein normales soziales Leben führen können.
Mit diesem Selbstverständnis, Berliner Hundehalter so schlecht behandeln zu können, wird seit Jahren gegen uns Politik gemacht. Und – man muss es leider sagen – je politisch grüner die Politik, je intoleranter und hundefeindlicher ist sie. Angeblich im Sinne der Familien. Aber stimmt das? Nein, denn wir wissen, dass auch Hundehalter Familien haben, dass sich viele Kinder Kontakt mit Hunden wünschen und auch viele Erwachsene die keinen Hund haben, trotzdem Hunde mögen.
Nein, es ist eine Politik im Sinne der „Schwaben-Burger“, die tatsächlich glauben, sie hätten auch das Recht „gepachtet“ uns Berliner Hundehalter zu beschimpfen. Ich fühle mich manchmal wie in einer Kleinstadt, wo der Nachbar angezeigt wird weil ein Ast über den Gartenzaun hängt. Wenn ich mal wieder von „Schwaben-Burger“ Eltern angemotzt werde, weil mein Hund ohne Leine läuft. In diesen Momenten frage ich mich wirklich: Quo vadis Berlin? Steigst Du ab zur Provinz oder bleibst Du in der ersten Liga?
Diese Entscheidung zur Berliner Zukunft wird also nicht unerheblich vom neuen Hundegesetz beeinflusst und es muss sich zeigen, ob die Hundebesitzer politische Rechte erhalten, die auch Diskriminierung verhindern. Der Anfang klingt schon mal ganz gut: In einem Bürger -Dialog, der alle Positionen in der Stadt widerspiegelt, soll eine Vorlage für den Senat erarbeitet werden. Vorgestellt – und vielleicht auch initiiert – wurde der Prozess vom Justizsenator Dr. Heilmann, ein Jurist, der aus der Werbebranche kommt und auch entsprechend kreativ an die Sache herangegangen ist. Und so schockte er bei der ersten Presseveranstaltung die anwesenden Pressevertreter, indem er von einem friedlichen Miteinander redete, anstatt von Gefahrenabwehr. Er führte an, dass ja nur ein kleiner Prozentsatz der Hunde überhaupt auffällig geworden wäre (0,5 Prozent) und die Beißstatistik sowieso keine Grundlage für Schlussfolgerungen darstelle, da sie nicht aufzeige, was wo und wie passiert sei. Weiterhin sei das mit der Hundekacke ja auch schon besser geworden, und wichtiger als Verordnungen seien sowieso kreative Ansätze die die Verantwortlichkeit stärken.
Die Umsetzung wird in den nächsten Monaten zeigen, ob Berlin sich den „Schwaben-Burgern“ beugt, oder eine weltoffene Metropole bleiben möchte. Drei Fakten sind für mich allerdings jetzt schon sicher: 1. Die Berliner Hunde sind friedlich. 2. Berlin soll Berlin bleiben. 3. Die Sichtweise auf Hunde in der Gesellschaft, wie sie aktuell von den Grünen und einer Arbeitsgemeinschaft der Amtstierärzte vorgeschlagen wird, wäre eine gesellschaftliche Bankrotterklärung und ein direkter Weg hin zu einer paranoiden Kontrollgesellschaft, die Berlin nun wirklich nicht braucht.
Wir werden sehen, ob der kreative und demokratische Ansatz im Bürger-Dialog gelingt und ob sich die Vernunft gegen Hysterie und Spießbürgertum durchsetzen wird. Wünschen würde ich es dieser Stadt und unseren Hunden sowieso. Ich bin ein Berliner! Und Berlin, soll Berlin bleiben!
Annemarie Klein lebt mit Hund und Familie in Berlin.
Thierse lästert über Schwaben in Berlin!
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/wolfgang-thierse-wettert-gegen-schwaben-in-berlin-a-875182.html
Bis jetzt ist in der Presse zumindest noch nichts von Weltstadtformat zu sehen. Wie immer rühren alle im Thema “Hundekot” herum. Es wird auch schwer, seriös über andere Themen negativ zu berichten, denn der ängstliche Vater, der immer als Hauptbeschwerdeführer gegen leinenlose Hunde vor die Kamera gezerrt wird, muss selber zugeben, dass keine akute Bedrohung durch leinenlose Hunde stattfindet. Eher ein Wunsch ohne Hunde zu sein. Und dass er mit den Ängsten seiner Tochter konstruktiv umgehen muss wird er hoffentlich auch noch verstehen. Ich jedenfalls kenne viele Eltern, deren Kinder sich mal erschreckt haben und die trotzdem nicht das Trauma der Kinder pflegen. Sie wissen, dass Ängste, die in der Kindheit bestärkt werden, im Erwachsenenalter so tief sitzten, dass sie schwer zu therapieren sind.
Zum Einstieg gibt es hier schon mal das Protokoll der ersten Sondierungsrunde:
http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-verbraucherschutz/tierschutz/1210_bello_dialog_sond._i.pdf?start&ts=1350649864&file=1210_bello_dialog_sond._i.pdf
Viel steht nicht drin, Aufgabe der nächsten Runde wird wohl sein, diese Themenbereiche mit Inhalten zu füllen. Nächstes Treffen ist am 13. November.
Offenbar benötigt man hier in diesem Land immer eine Minderheit gegen die man “vorgehen” kann. In diesem Kontext sind es dann entweder Ausländer und seit inzwischen 20 Jahren Hundebesitzer.
Und die neuen Biedermänner die mit 35 “angekommen” sind, meinen offenbar sie hätten die Legitimation ihr langweiliges Leben – Ziele haben sie offenbar keine mehr – allen anderen aufzwingen zu müssen. Mit Pluralität, Kreativität, Toleranz und Respekt gegenüber anderen hat dies nichts zu tun und macht vor allem eine Weiterentwicklung wie in Berlin unmöglich.
Biedermänner bedeuten, Mittelmäßigkeit, Spießbürgertum und Stillstand. Wenn dies ein erwünschtes Lebensziel ist, bitteschön! Nur wäre dann nicht reflektiertes Verhalten angebracht? Vor allem wenn von der restlichen Gesellschaft die Toleranz, als zugezogene Neu-Berliner, erwartet wird, die man offensichtlich selbst nicht besitzt.
Vielleicht sollte man dann nicht gerade nach Berlin, sondern nach Bayern ziehen, um dort wie üblich, nachdem man zugezogen ist, zu klagen weil der Hahn kräht, die Kühe muhen und mit ihren Glocken auf der Weide Lärm machen oder die Kirchenglocken am Sonntag läuten. Bedenkliche Entwicklung!
Sind dies die neue Blockwarte in Deutschland, die jeden denunzieren und diffamieren der nicht so leben möchte oder will, wie sie? Hatten wir das nicht schon einmal? Wo bleiben hier grundsätzliches Sozialverhalten, Demokratieverständnis und Toleranz? Auch wenn man dies offenbar zu Hause als Kind nicht erlernte, kann man dies übrigens entweder im Ausland, da lernt man auch über den “Tellerrand” zu sehen und in Debattierclubs. Aber die gibt es ja hier ebenfalls nicht….