Heute morgen habe ich den Poster fur den neuen Til Schweiger Film “OFF DUTY” gesehen – das Poster ist großartig.
Den Film selbst werde ich wahrscheinlich nicht gucken – ich gucke selten Thriller heutzutage – aber bevor das große Schimpfen auf den Film losgeht (meine Vorhersage: Er wird “dumm” sein – “dümmer gehts nicht”, “so dumm, ich könnte kotzen”, etc.) möchte ich sagen, warum Til Schweiger der einzige deutsche Filmemacher ist, den ich heute respektiere: – Er bejaht und versteht Popkultur.
Film ist von seinem Wesen her ein Massenmedium (teuer zu produzieren, sichtbar im Kino mit vielen Plaetzen). Die meisten deutschen Filmliebhaber wollen aber Film, der “anspruchsvoll” ist – d.h., sie wollen Film, aber kein Popkultur-Film, sondern Bildungsbürger-Film – Film, der die Massen ausschließt und mit dem eine Elite angeben kann. Schweiger erkennt, dass Film zur Massenkultur gehört und versucht bewusst, Kultur für die Massen zu machen. Das macht ihn zu einem demokratischen Filmemacher – er schließt große Teile de Bevölkerung nicht bewusst aus, sondern bejaht sie, sagt: Auch ihr habt ein Recht auf eure eigene Kultur.
- Er versteht, dass eine funktionierende Filmwirtschaft, wie sie in Deutschland zuletzt in der Weimarer Republik stattfand, nur möglich ist, wenn Film erzählerisch und visuell einzigartig ist: Er muss eine möglichst neue Erfahrung bieten. D.h. moderne Geschichten, die nur in unsere Zeit passen (der durchschnittliche Tatort basiert auf Agatha Christie – veraltet); d.h. neueste Produktionstechnik. Es bedeutet auch Bewegung.
- Der deutsche Bildungsbürger ist auf bildende Kunst fixiert und begreift “anspruchsvolle Film” als eine Verlängerung des Museumsbesuchs: Die Kamera zeigt ein Gemälde fünf Minuten lang, dann bewegt sich zum nächsten Gemälde. Film ist aber radikal anders als Gemälden: Es bewegt sich. Wer diese Möglichkeit nicht ausnutzt, versteht Film nicht (oder versucht bewusst, das “neue” Medium Film dem alten Medium Gemälde und damit der alten europäischen Kulturdefinition unterzuordnen).
Schon an seinem beeindruckenden Poster sieht man, dass Schweiger all das versteht:
Der typische deutsche Filmposter oder ist statisch: Zwei Gesichter gucken bedeutungschwanger durch die Gegend, vielleicht halten sie eine Knarre. Vorbild: Gemälde.
Schweigers Poster dagegen ist voller Bewegung: Wir gucken nach oben über eine Dach und unser Blick richtet sich gleichzeitig nach unter auf die Stadt unter und hinter dem Dach; Schweigers Beine und Knie zeigen wie Pfeile nach oben, seine Brust und Kopf drängt nach vorn, seine Arme und Hände nach unten. Überall ist Bewegung, die Dynamik des Films ist im Poster verkörpert.
Die Bildungsbürger und Möchtegern-Bildungsbürger werden sich über den Film aufregen, um dadurch allen ihren Freunden zu beweisen, wie intelligent sie sind. Wer aber Film liebt, oder wer Film macht, tut gut daran, Schweiger zu unterstützen – egal ob sein Film gut oder schlecht ist, er ist zur Zeit die einzige Hoffnung, die Deutschland hat, jemals wieder eine Filmwirtschaft auf internationalem Rang zu haben.
Eric T. Hansen ist Amerikaner, Buchautor, Journalist und Satiriker, lebt seit über 20 Jahren in Deutschland und heute in Berlin. Seine Bücher: ) oder . Eric T. Hansen The Hula Ink Blog.