Hounds & People: Können sich auch Hunde mit dem mutierten Ehec Erreger infizieren?
Grundsätzlich ist das möglich.
Hounds & People: Wie und Warum?
Dirk Schrader: Wir kennen ja schon lange verschiedene Hämorrhagische E. Coli bei Hunden und Katzen. Die treten besonders häufig dann auf, wenn die Darmflora der betroffenen Tiere nicht in Ordnung ist.
Der so sehr gefährliche Keim hat allerdings eine besondere (genetische) Affinität zum Menschen. Das heißt: die Virulenz (Vermehrung im Wirt) und seine Toxizität ( Giftproduktion) sind in diesem “Säugetier” besonders hoch. Hunde und Katzen kommen natürlich auch als Wirte in Betracht, besonders dann, wenn sie Gülle-verseuchtes Wasser trinken.
Bekannt ist ja, dass diese Keime bei Nutztieren in der Landwirtschaft vorkommen. Ich selbst kenne eine Gegend in Schleswig-Holstein, wo zu nahezu jeder Jahreszeit Gülle aus den Tierfabriken auf den Feldern ausgebracht wird. Das Oberflächenwasser spült die Gülle zu einem Großteil in die Sammelgräben, und muss man sich ja nicht wundern, wenn die Landwirte, um Kosten zu sparen, Wasser aus vollen Wassergräben pumpen, um damit das Gemüse zu bewässern: Das Ergebnis ist ja bekannt.
Hounds & People: In Deutschland werden Nutztieren ca. 500 Tonnen Antibiotika verabreicht, die zu 90 % wieder ausgeschieden werden und mit der Gülle dann auf den Feldern landen. In Bayern untersuchten Wissenschaftler der TU Weihenstephan Schweinegülle und fanden in 70 % der Proben Antibiotika. Ist das mutierte und resistente Ehec -Bakterium erst der Anfang?
Dirk Schrader: Anfang oder Mitten Drin. Egal, ich glaube, wir befinden uns auf einer Reise in eine schwierige Zukunft, wenn der Massentierhaltung – und damit der immensen Gülleproduktion – nicht gesetzlich Einhalt verboten wird. Abgesehen davon ist Massentierhaltung mit dem deutschen Tierschutzgesetz nicht vereinbar.
Hounds & People: Rinder bekommen heute in der Massentierhaltung ja nicht mehr Gras und Heu, sondern Kraftfutter, das aus Maissilage, Soja und Getreide besteht, wobei man nicht weiß, ob dies genmanipuliert ist oder nicht. Verändert sich hierdurch die Darmflora?
Dirk Schrader: Die so genannten transgenen Futtermittel (Monsanto, Bayer und Co.) sind eine nicht vollständig durchdachte Angelegenheit. Man produziert etwas, was enorme Gewinne verspricht, weiß aber nicht genau, welche Folgen diese genveränderten Futtermittel haben. Eines ist gewiss: Gesundheit ist nur dann möglich, wenn die vielen biologischen Gleichgewichte in einem Organismus nicht gestört werden. Der übermäßige Einsatz von Antibiotika, immer “härteren” Desinfektionsmitteln und der Einsatz von unnatürlichen und transgenen Futtermitteln sind mit absoluter Sicherheit an dem fatalen Prozess der genetischen Veränderungen der Bakterien und übrigens auch der Viren beteiligt. Wer das leugnet versteht nichts.
Die Konsequenz wäre: Massentierhaltung gehört verboten. Wer Gülle produziert, muss die so entsorgen, dass keine Umweltschäden und keine Wasserbelastungen auftreten. Das ist übrigens eine uralte Forderung der Grünen und der Linken. Technisch ist das ohne Weiteres möglich. Aber sagen Sie das mal dem deutschen Bauernverband. Der springt an die Decke.
Hounds & People: Die Ehec Bakterien wurden inzwischen in bestimmten Gewässern gefunden, in die offenbar das Wasser aus Kläranlagen lief. Das Wasser in den Kläranlagen filtert bei der Reinigung des Wassers, aber nicht Rückstände von Medikamenten wie Hormone und Bakterien aus, die über die Toiletten der Menschen dort hin gelangen. In der Schweiz ist es verboten Klärschlamm – aus Kläranlagen – als Gülle auf die Felder zu bringen. Bei uns nicht! Warum? …
Dirk Schrader: Richtig ist, dass die in Deutschland betriebenen Wasserwerke mit einer enormen Technik aus dreckigstem Wasser Trinkbares machen. Aber: die Verteilung von hoch infiziertem Material auf den Feldern durch die Landwirte ist das Problem. Man zwingt zwar per Gesetz die Industrie, ihre giftigen Abfälle so zu entsorgen, dass der Menschheit daraus kein Schaden erwächst. Die Landwirte als besonders geschützte Spezies dürfen aber offenbar alles: Dahinter steckt der fatale Lobbyismus der Bauernverbände. Und Politiker wissen, dass sie ihr Mandat verlieren, wenn sie sich mit “den Bauern” anlegen. Es ist eine Konstruktion, die unendliche und schlimme Folgen hat und weiter haben wird.
Hounds & People: Dann ist also die Folge der nicht artgemässen Haltung und Ernährung der Nutztiere mit Industriefutter – wie bei Rindern und Schweinen, als auch bei Hunden und Katzen und auch beim Menschen, daß sich die Darmflora verändert und damit das Immunsystem geschwächt und anfällig gegen Krankheiten wird?
Dirk Schrader: Das ist eine seit Jahrzehnten bekannte Tatsache. Eine nicht artgerechte Ernährung ist für den Organismus ein Dauerstress. Das Immunsystem ermattet irgendwann und sperrt “die Tore” auf für alles Fiese, was sich inzwischen dank der unsäglichen Umweltpolitik der vergangenen Jahrzehnte entwickeln konnte: Resistente Bakterien, neue Arten von Viren und übrigens auch Pilze, die rasant im Vormarsch sind.
Hounds & People: Sind wir dann aber durch die tierschutzrelevante und nicht artgemässe Massentierhaltung nicht selbst verantwortlich für die Entstehung solcher Krankheiten, wie auch den derzeit kursierenden „mutierten“ Ehec Bakterien?
Dirk Schrader: Wenn Sie so wollen – ja: selbst schuld. Aber: Die hohe Verantwortung trägt die Politik – das sind die Heinis, die im Bundestag herumlaufen, oft mega-dümmliche Typen, karriereorientiert und grenzenlos unwissend, “Wir machen uns schlau.. Figuren”. Die sind das Problem.
Hounds & People: Eigentlich hätte ja der Verbraucher die Macht etwas zu ändern. In keinem EU- Land, wie in Deutschland, sind Lebensmittel so preiswert. Trotzdem geben die Leute für Lebensmittel in Deutschland gerade mal 10% ihres Einkommens aus, früher war das ein Drittel. Auch bei der Nahrung der Hunde wird gespart. Wenn der Verbraucher aber bestimmte Produkte nicht mehr kaufen würde, dann gäbe es hierfür keinen Absatz mehr und der Markt und die Nachfrage z.B. an minderwertigem Fleisch – geschundener Tiere aus der Massentierhaltung – würde einbrechen. Letztendlich ist ja jeder persönlich und selbst für seine Gesundheit verantwortlich! Müssten dann nicht zunächst wir unser Verbraucherverhalten ändern?
Dirk Schrader: Da fragen Sie mal eine alleinerziehende Mutter, die so gerade oder nicht über die Runden kommt, oder Leute, die drei Jobs benötigen, um ihre Kinder zu versorgen, was die davon halten. Das ist denen sicherlich nicht egal, aber sie können nicht anders. Sie müssen die preiswerteste Nahrung kaufen. Und das besonders Fiese: der Markt entscheidet in unserer Welt, ob Moral vor dem Fressen kommt.
Hounds & People: Sich gesund zu ernähren hat ja nichts mit Geld zu tun! Ist das nicht eine bequeme Ausrede? Woher kommen denn dann die vielen übergewichtigen Kinder und Hunde her?
Dirk Schrader: …Für Kinder gilt: …Langeweile, wenig Bewegung, Milchschnitten, keine Anregung…Junk-Food mit verantwortungslosen Inhalten. Für Hunde gilt: Erstens die Kastration, zweitens die energetische verantwortungslose Ernährung, die Leckerlis und: wie der Herr so´s G´scherr.
Hounds & People: Was können die Menschen tun damit sich etwas verändert und Mensch und Tier gesund bleiben?
Dirk Schrader: Die Verantwortung der Politiker ist gefragt, natürlich auch das kritische Bewusstsein der Konsumenten. Sie sollten sich und ihre ihnen anvertrauten Lebewesen aus ihrer eigenen Küche ernähren. Dazu müssten sie erlernen, was gesunde Ernährung überhaupt bedeutet. Und wo lernt man das? Meistens bei der Großmutter und bestimmt nicht bei der berufsgestressten Mami, die lieber eine Tüte aufmacht als auf den Markt zugehen und nachgedacht einzukaufen.
Bis das so weit ist kann es nur heißen: Never stop thinking by yourself, was soviel heißt: Denke gefälligst selbst und handele kritisch. Kaufe keinen Dreck von der Industrie, damit Du weder Dich noch die Dir anvertrauten Lebewesen vergiftest.
Hounds & People: Vielen Dank für das Gespräch!
Dirk Schrader, ist leitender Tierarzt des Tierärztlichen Instituts für angewandte Kleintiermedizin in Hamburg–Rahlstedt und Inhaber der Website Kritische-Tiermedizin.
Fotos: © Guido Thomasi; Fotolia,
Sieh auch: Darmflora; Karottensuppe gegen Ehec; Know How – Ernährung;
Die Problematik ist auch mir bekannt.
Sozial benachteiligte Menschen essen eher und mehr Convenience Produkte, nutzen Maggi-Fix und Co. anstatt Obst und Gemüse in ausreichenden Mengen zu essen. Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente kommen kurzum für den eigenen Körper zu kurz.
Du bist was Du ißt. Isst Du nur Chips, dann…
Es ist immer wieder erfrischend, ein Interview von Astrid Ebenhoch zu lesen, Das ist immer der Fall mit einem kritischen Gesprächspartner wie Dirk Schrader.Chapeau!